Fachkräfte am Limit: Arbeitsbelastungen in der Kinder- und Jugendhilfe
Die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen. Steigende Nachfrage, komplexere Problemlagen und ein akuter Fachkräftemangel führen zu einer doppelten Belastung der Mitarbeitenden – sowohl beruflich als auch privat. Doch wie können Fachkräfte trotz multipler Krisen handlungsfähig bleiben? Welche gesundheitsförderlichen Strategien helfen gegen Überlastung?
Die aktuelle Situation: Wachstum unter Druck
Enormer Personalaufwuchs
Über 1,1 Millionen Fachkräfte arbeiten in der Kinder- und Jugendhilfe – mit steigender Tendenz. Besonders die Jugendsozialarbeit (+224%) und Heimerziehung (+206%) verzeichnen seit 2006/07 enormes Wachstum.
Anhaltender Personalbedarf
Trotz dieses Wachstums wird bis 2030 ein zusätzlicher Personalbedarf von 54.000 bis 77.000 Vollzeitstellen prognostiziert. Gleichzeitig steigen die Anforderungen und Belastungen.
Multiple Krisen belasten die Fachkräfte
Pandemie-Nachwirkungen, Klimakrise, Kriege, Fluchtbewegungen und verfestigende Armutslagen erhöhen die Komplexität der Arbeit und belasten Fachkräfte auch privat.
Doppelte Belastung der Fachkräfte
Berufliche Belastung:
Steigende Arbeitsverdichtung, wachsender Handlungsdruck und komplexere Problemlagen führen zu Überforderung. Fast 30% der Beschäftigten leisten ständig unbezahlte Mehrarbeit.
Private Betroffenheit:
Fachkräfte sind von gesellschaftlichen Krisen auch privat betroffen. Die professionelle Abgrenzung wird zum Kraftakt, wenn eigene Werte mit denen der Adressat*innen in Konflikt stehen.
Gesundheitliche Folgen:
65,8% der Fachkräfte fühlen sich gehetzt und unter Druck; 60,9% gehen regelmäßig an ihre Leistungsgrenzen. Psychische Erkrankungen nehmen zu – bei Erzieher*innen stiegen die Fehltage von 4,9 auf 5,3 Tage pro Jahr.
Der Teufelskreis des Fachkräftemangels
Hohe Arbeitsbelastung führt zu Stress und Unzufriedenheit, was wiederum gesundheitliche Probleme verursacht. Zunehmende Krankheitstage und Burnout-Symptome verschärfen den Personalmangel weiter. Dies führt zu Fluktuation, Instabilität in Teams und letztlich zu einem Qualitätsverlust in den Angeboten für Kinder und Jugendliche.
Resilienz auf individueller Ebene stärken
Um handlungsfähig zu bleiben, ist es wichtig, individuelle Resilienz zu fördern:
Selbstwahrnehmung schulen:
Die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse ist ein wichtiger Schutzfaktor. Frühzeitiges Erkennen von Warnsignalen kann helfen.
Werte und Haltungen klären:
Klarheit über eigene Werte stärkt die persönliche Resilienz und fördert eine akzeptierende Haltung gegenüber anderen Perspektiven.
Selbstmitgefühl entwickeln:
Nach Kristin Neff bedeutet Selbstmitgefühl, fürsorglich mit sich selbst umzugehen statt sich zu kritisieren – eine wichtige Fähigkeit zur Bewältigung schwieriger Arbeitsbedingungen.
Organisationale Resilienz fördern
Um die Belastungen besser bewältigen zu können, sollten Organisationen folgende Maßnahmen ergreifen:
Teamstrukturen stärken:
Teams mit solidarischen Beziehungen können flexibler auf Herausforderungen reagieren.
Reflexionsräume schaffen:
Supervision und kollegiale Beratung helfen dabei, belastende Situationen zu verarbeiten.
Führungskräfte qualifizieren:
Leitungskräfte benötigen Unterstützungssysteme wie Fortbildung und Coaching zur Förderung von Resilienz im Team.
Konkrete Maßnahmen für gesunde Teams
Gesundheitsförderung etablieren:
Betriebliche Gesundheitsförderung sollte systematisch in den Arbeitsalltag integriert werden.
Qualifizierung ausbauen:
Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sollten sowohl fachliche Kompetenzen als auch persönliche Resilienz stärken.
Positive Fehlerkultur entwickeln:
Gestaltungsspielräume für selbstständiges Arbeiten schaffen und eine Kultur etablieren, in der aus Fehlern gelernt werden kann.
Gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen
Die Belastungen für Fachkräfte müssen im politischen Raum stärker wahrgenommen werden. Es braucht eine nachhaltige Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel sowie für gesündere Arbeitsbedingungen. Resilienzförderung allein kann strukturelle Probleme nicht lösen – aber sie kann Fachkräften helfen, handlungsfähig zu bleiben und ihre wichtige Arbeit fortzusetzen.
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Quelle: https://www.agj.de/positionen/artikel/positionspapier-fachkraefte-am-limit-arbeitsbelastungen-in-der-kinder-und-jugendhilfe-und-gesundheitsfoerderliche-strategien.html
Hinweis:
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